Kannst du dich noch an dein 1. Mal erinnern?
War es prickelnd und intensiv, schmeckte nach weißen Wolken und frischen Himbeeren und nach so, sooo viel mehr? Ach, was war die Zeit doch schön damals! So jung und unbeschwert… Alles so herrlich aufregend und lebendig. Einfach wunderbar! Sehe ich da gerade einen verträumten Blick in deinen Augen? ☺︎
Vielleicht kommt beim Kramen im Nähkästchen deiner Erinnerung aber auch ganz anderes zu Tage. Ja, da war wohl mal was. Lang, lang ist´s her. Die nebulöse Ahnung, die da gerade am Horizont deiner Erinnerung auftauchen will, lieber wieder schnell in den hintersten Winkel der Gehirnwindungen gepackt, weil echt zu peinlich.
In meiner sexualpädagogischen Arbeit mit Jugendlichen waren die Fragen, die am häufigsten gestellt werden, die rund ums „1. Mal“. Verständlich. Da hat man ja schon so viele Dinge gehört… Manche ganz schön gruselig. Fast schon ein Wunder, dass unsere Spezies noch nicht ausgestorben ist. ☺︎
Aber woher soll man auch wissen wie´s wirklich wird – das sogenannte 1. Mal. Es zeichnet sich ja eben gerade dadurch aus, dass es das erste(!) Mal ist und man damit eben auf keine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen kann. Alleine deshalb schon verspüren die meisten ein nicht unerhebliches Maß an Unsicherheit. Vielleicht wünscht man es sich ja schon lange, träumt immer wieder davon, entwirft Szenarien, wie´s sein könnte, verwirft sie wieder, träumt von Neuem, hat so seine Zweifel, aber irgendwie lässt es einem keine Ruhe. Bis…, ja, bis man es erlebt hat, sich drauf eingelassen hat. Und dann? Auf einmal gehört man auch dazu. Zum elitären Kreis der Wissenden, der Eingeweihten, der Erfahrenen. So oder so.
Das ganze Leben – ein erstes Mal!
Lass uns nochmal ein wenig in alten Erinnerungen stöbern!
Der erste Schultag. Wie stolz und aufgeregt war ich da. Und trotz der Warnung des Nachbarsjungen, nur ja nicht so blöde zu sein und zu früh um Hausaufgaben zu betteln – genau das hab ich getan. Weil ich eine richtige(!) Schülerin sein wollte und da gehörten Hausaufgaben eben dazu.
Oder: Das erste Mal Fahrradfahren. Was war das doch zu anfangs für eine Wackelpartie. Und dann… Auf einmal fährst du los, auf einmal gelingt es das Gleichgewicht zu halten – Und: Du kannst es! Du kannst Radfahren und du wirst es von da an nie mehr verlernen.
Oder: Der erste richtige Kuss. Wäääh! Was die alle bloß an dieser eklig feuchten Angelegenheit finden. Dann der erste richtig schöne(!) Kuss: Ooooh! Jaaaa! Mehr!
Erste Male fügen sich zu Erfahrung zusammen und Erfahrung verfestigt sich durch Wiederholung.
So entsteht Können, so entwickelt sich Routine. Routine erzeugt Sicherheit, erleichtert uns das Leben. Und… macht es langweilig! Stinklangweilig! Nicht? Schon? Das kommt ganz drauf an? Ja! Das kommt ganz auf uns selbst an! Wer nur mehr in seiner Komfortzone verharrt und damit stets auf Nummer sicher geht, schneidet sich über kurz oder lang vom Leben ab. Von einem prallen, prickelnden, einem an Möglichkeiten reichen und übersprudelnden Leben. Da wird man dann schon auch mal fremd-gelebt. Da bestimmen dann schon auch mal andere, was für dich gut ist. Da entscheiden dann schon auch mal andere, was dir zumutbar ist.
Also:
Auch die sogenannte Komfortzone birgt ein nicht zu verachtendes Risiko!
Die erfreuliche Nachricht: Durch weitere erste Male kann sich Erfahrung auch wieder verändern und lässt sich so erweitern. (Erinnere dich an meinen ersten Kuss…) Und das bedeutet, dass wir unser Drehbuch des Lebens immer wieder umschreiben können, genauso wie sich auch unsere Sexualität um weitere erotische Kapitel ergänzen lässt.
Dein Leben und deine Sexualität brauchen immer wieder erste Male, denn nur so bleiben sie lebendig. Und du mit ihnen. (dakarai)
Doch ganz so einfach ist das nicht…
Manchmal braucht manche für manches Mut!
Es gehört Mut dazu! Ja! Findest du nicht auch? Sicher nicht für jeden gleich viel, aber wenn du ein bisschen so gestrickt bist wie ich, dann weißt du vermutlich, was ich meine… Es braucht Mut, Gewohntes zu verändern. Es braucht Mut, sich nach vielen Jahren vor sich selbst und/oder einem (neuen) Partner anders zu zeigen. Es braucht Mut, etwas zu beginnen, dessen Fortgang unvorhersehbar ist. Es braucht Mut, sich selbst neu zu (er-)finden. Du brauchst Mut. Ich auch. Immer wieder neu.
Dein Bild von dir selbst.
Du hast ein bestimmtes Bild von dir. Es hat sich über die Jahre zusammengefügt. Der Rahmen dafür besteht aus deinen eigenen Erfahrungen, deiner eigenen Wahrnehmung, deinem bisherigen Selbstverständnis. Aber auch aus der Art und Weise, wie dich die anderen all die Jahre wahrgenommen haben, dein Partner, deine beste Freundin, deine Kollegen, deine Kids, deine Eltern, deine Nachbarn… Typisch Du eben! So wie du nach außen wirkst. Und nach innen mehr oder minder kongruent dazu bist.
Bist! Bist? Bist du so oder eigentlich doch ganz anders? EIGENTLICH!?! Willst du so sein? Willst du so bleiben? Okay, du hast dich innerhalb dieses Rahmens ganz gut eingerichtet. Da kennst du dich aus. Das fühlst du dich mehr oder minder wohl. Komfortzone eben. Mal was ganz anderes machen? Echt was Verrücktes wagen? Passt das überhaupt in das Bild, das du von dir selbst hast? Darf das sein? Geht das überhaupt? Dafür müsstest du deinen Rahmen sprengen. Aber was dann? Fällt dann alles auseinander? Was hält dich dann noch zusammen? Wer bist du dann? Und was, wenn dein Partner voll irritiert ist, deine Freunde denken, du drehst durch, deine Kinder dich nur noch peinlich finden und du selbst dir total lächerlich vorkommst?
„Wenn wir Altvertrautes verlassen, Neues wagen, Ungewohntes ausprobieren, Anderes versuchen, Fremdes entdecken, Geheimes lüften, Intimes mitteilen: Mut tut gut.“ (dakarai)
Die verborgenen Mutmacher
Erste Male bieten neue Erfahrungsmöglichkeiten. Und darin sind zwei wichtige Mutmacher verborgen: Erfahrungen sind IMMER wertvoll. – Vorausgesetzt, du machst was draus. Schöne und weniger schöne, zielführende und weniger zielführende, lustvolle und weniger lustvolle Erfahrungen können doch gleichermaßen wertvoll für dein Leben sein. An Wert volle Erfahrungen! Z.B. die Erfahrung „Okay, so besser nicht! Aber vielleicht ja so…!?!“ Glücklicherweise kannst du ja immer wieder neu anfangen und so mit deinen gewonnenen Erfahrungen wachsen.
Mutmacher Nr. 1:
Positive und weniger positive Erfahrungen können gleichermaßen wertvolle, an Wert volle Erfahrungen sein.
Wie heißt es doch so schön: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Warum nur stellen wir trotzdem diesen Anspruch immer wieder an uns selbst: Alles gleich richtig toll zu können und alles ordentlich zu Ende bringen zu müssen. Hei?! Wer sagt das? Uns Erwachsenen geht da die kindliche Unbekümmertheit ab. Wir haben uns größtenteils den „Spielmodus“ abtrainiert oder abtrainieren lassen. Schade! Denn der könnte uns helfen beim mutigen Erfahrungen sammeln.
Spielmodus meint: Du darfst dich ausprobieren. Ganz ohne vorher festgelegtes Ergebnis. Ganz ohne Erfolgsdruck. Einfach so! Aus Neugier. Aus Lust am Spielen. Gespannt und offen: Mal sehen, was dabei herauskommt… Mal spüren, wie sich das anfühlt… Mal schauen, wie der andere auf mich und meine Idee reagiert… Mal offen lassen wie es weiter geht… Mal abwarten wie weit es geht…
Mutmacher Nr. 2:
Im Spielmodus darfst du dich ausprobieren ganz ohne ein vorher festgelegtes Ergebnis. Einfach so, aus purer Lust und Neugier.
Was könnte dein nächstes „1. Mal“ sein?
Was möchtest du schon längst mal machen? Womit könntest du dich selbst oder deine Beziehung überraschen? Was braucht gerade so viel Mut, dass es eine kleine Herausforderung ist, aber gleichzeitig so wenig, dass du dich noch nicht mal von dir selbst davon abhalten lässt? Und dann tu es. Tu es tatsächlich und tu es innerhalb der nächsten 48 Stunden! Es geht darum, ein Bewusstsein für neue erste Male zu entwickeln und die Umsetzung als gute Gewohnheit in den Alltag zu integrieren. Je öfter du erste Male in dein Leben bringst, desto mutiger wirst du. Und desto spannender und abwechslungsreicher wird es – in deinem Leben und in deiner Sexualität!
Und vergiss nicht! Beim nächsten 1. Mal: Erst mal spielen! ☺︎ P.S. Übrigens, die Angewohnheit immer wieder erste Male ins Leben zu integrieren ist die wahrscheinlich einzige Routine mit „100% Fadesse-Vermeidungs-Garantie”.