Ein bisschen gedankenverloren sitze ich im Wartezimmer und blättere wenig interessiert durch eine herumliegende Zeitung. Leise raschelt eine Seite nach der anderen. Plötzlich bleibt mein Blick an einer Schlagzeile hängen:
Wie ein Sessel Ugandas Frauen stärker macht.
Frauen stärken? Find ich gut. Mit Hilfe eines Sessels?
Meine für Neugierde zuständige Synapsen feuern. Ich beginne zu lesen und erfahre folgendes:
In Uganda steht Gewalt gegen Frauen noch immer auf der Tagesordnung. Und eine Wohltätigkeitsorganisation will das mit Hilfe eines einfachen Möbelstücks, eben eines Sessels (vom Österreichischen ins Deutsche übersetzt: eines Stuhls) ändern.
Wie das?
Dazu darf man Folgendes wissen:
Wenn es in einem Raum nur einen Stuhl gibt, dann ist es – zumindest wohl in großen Teilen Ugandas – eine Selbstverständlichkeit, dass der Mann das Vorrecht auf die Sitzgelegenheit hat, und es ist die Frau, die sich kommentarlos auf den lehmigen Boden setzt. Damit verliert die Frau nicht nur die bequemere Sitzgelegenheit, sondern auch an Selbstwert und Selbstbewusstsein.
Da setzt die Hilfsorganisation “Care” an. Sie sorgt zum Beispiel bei Versammlungen dafür, dass auch Frauen einen Stuhl zur Verfügung haben. “Der Ankauf von Sesseln ermächtigt Frauen. Denn nur wenn Frauen und Männer auf einer Höhe miteinander kommunizieren, kann Gleichberechtigung stattfinden.” So die Büroleiterin der Hilfsorganisation.
Andere Länder, andere Sitten?
Ich denke, da liegt einiges mehr für uns drin. Willst du mal noch ein bisschen tiefer mit mir graben?
Mir kam beim Lesen dieses Artikels folgende Frage in den Sinn (und damit rückt Uganda auf einmal ganz nahe…)
In welchen Situationen überlassen wir unseren Stuhl den Männern?
Vielleicht nicht kommentarlos, aber letztendlich oft dann doch? Und das, obwohl wir üblicherweise mehr als einen zur Verfügung haben.
In dir macht sich grad deutlicher Widerspruch bemerkbar? “Na also! Soweit kommt´s noch! Ich doch nicht!” Echt nicht? Hier nur ein paar Stichworte und sorry – not sorry – wenn es vielleicht auch ein klein bisschen Stechworte sind. Der kleine Piks will dich liebevoll auf etwas Wesentliches aufmerksam machen. Aufmerksam darauf, dass die Dinge, so wie sie laufen, auch anders laufen könnten. Jedenfalls, wenn du sie nicht einfach laufen lässt…
Schau mal!
📍Stechwort “deine Bedürfnisse vs. seine Bedürfnisse” → Wessen Bedürfnisse haben mehr Gewicht, überwiegende Priorität, werden eher gesehen und erfüllt?
Während dein (Noch-/Ex-)Mann beginnt, sich in seinem neuen Leben einzurichten, bist du dabei, mühsam die Scherben des deinigen zusammen zu kehren. Du bemühst dich zu funktionieren. Du jonglierst mit den Kindern, dem Haushalt, dem Garten, den Haustieren, und ganz nebenbei auch noch mit deinem Job. Es fordert viel von dir, zu viel, alles am Laufen zu halten – jetzt, wo du den Alltag zum größten Teil alleine stemmst.
📍Stechwort “Kinderbetreuung” → Wie selbstverständlich ist es, wer sich hier wie, in welchem Maße und wo (!) einbringt?
Ich kann gar nicht sagen, wie häufig ich es in meinen Mentorings höre, von den Frauen großteils wie selbstverständlich vorgebracht: Die Kinder können an den Papa-Wochenenden nicht bei ihrem Vater übernachten, weil der hat ja nur so eine kleine Wohnung. Ganz ehrlich, da haut´s mir echt den Vogel raus. Denn überleg mal, was das im Klartext heißt?
Auch am sogenannten kinderfreien Wochenende ist außer ein paar Stunden Ausflug mit Papa nichts drin. Oder er verbringt die Zeit mit den Kids in der Wohnung, aus der er zugunsten seines neuen Lebens ausgezogen ist. Für die Grundversorgung wie Mahlzeiten, Hausaufgaben etc. ist dann doch wieder die Mama zuständig. Das alles nicht, weil es keine andere Lösung gäbe, sondern weil keine andere von ihm gefordert wird.
Du findest das nicht soo tragisch? Du kannst ja das Wochenende bei einer Freundin verbringen oder so. Klar, kann man mal machen. Wenn man will. Aber wenn du mal nicht willst und trotzdem musst? Wenn du einfach mal in deinen eigenen vier Wänden zur Ruhe kommen willst und mal keinen Bock auf Action hast?
Und dann lass dir bitte mal noch schnell folgende Frage gefallen: Wie fühlst du dich nach so einem “gezwungenermaßen” gemeinsam verbrachten Wochenende wirklich? Am Sonntagabend, die Kinder im Bett, der Vater wieder zurück im neuen Leben, du allein auf dem Sofa?
📍Stechwort “Finanzen” → Wer darf wieviel wofür ausgeben und wer bestimmt das?
Ich möchte an dieser Stelle mal wieder freundlich darauf hinweisen, dass ein schwules Leben nicht ganz billig ist. Das tue ich gerne, v.a. wenn Frau zweifelt, ob die professionelle Unterstützung, die sie so gerne hätte und dringend bräuchte, im Familienbudget “drin ist”.
Nein, es geht hier nicht um den Luxus von ein bisschen Selbstverwirklichung. Es geht um die bestmögliche Unterstützung, diese Situation so unbeschadet wie nur irgend möglich zu überstehen. Übrigens, eine Situation, zu deren Ursprung du nichts, aber auch gar nichts beigetragen hast und die du dir – by the way – schon gar nicht ausgesucht hast. Also ist es nicht nur recht und billig, sondern geradezu Not-wendig, wenn du dir Hilfe holst.
📍Stechwort “persönliche Freiheiten und Freizeitgestaltung” → Siehe Bedürfnisse!
📍Stechwort “Trennungsvereinbarung & Co” → Hast du dich zeitnah an fachlich kompetenter Stelle informiert?
Weißt du Bescheid, wie die rechtliche Seite im Falle von Trennung, Scheidung etc. für dich/euch aussieht? Wann hast du vor, dir dazu alle relevanten Informationen zu besorgen und auch diesen für deine Zukunft wichtigen Teil zu besprechen und festzulegen? Was lässt dich zögern? Die Angst vor Disharmonie und Streit? Die Angst vor dem endgültigen Ende dessen, was im Grunde schon zu Ende ist?
Wer sitzt auf dem Stuhl? Du!
Ja, Du.
Dann nämlich, wenn du deine Bedürfnisse und damit dich selbst, wichtig genug nimmst. Das tust du, indem du dir den Raum dafür nimmst. Zeitlich UND örtlich!
Dann nämlich, wenn du deine Grenzen klar ziehst UND sie freundlich und unmissverständlich kommunizierst UND aufrecht und selbstbestimmt wahrst. Und das, wenn nötig, immer wieder aufs Neue.
Vor allem aber, indem du deine Bedürfnisse ab sofort nicht mehr zur Diskussion stellst. Es sind deine Bedürfnisse. Sie sind nicht weniger wichtig als die deines (Noch-/Ex-Mannes) und im Endeffekt auch nicht als die deiner Kinder. Weil mal ehrlich: Wenn du nicht mehr kannst, was dann? Eben.
Über die Art und Weise, WIE ihr deine Freiräume am besten organisiert bekommt, darüber freilich kann man diskutieren. Muss man auch, denn alleine wirst du sie dir – je nach Situation und Alter der Kinder – vermutlich kaum schaffen können. Sollst du auch gar nicht. Immerhin haben deine Kinder ja auch einen Vater. :0)
Du sitzt auf dem Stuhl, wenn du ab sofort deine Bedürfnisse nicht länger zur Diskussion stellst, sondern lediglich die Frage, wie sie sich rein praktisch am besten erfüllen lassen.
Deshalb:
Beim nächsten Gespräch mit deinem (Noch-/Ex-)Mann zieh dir deinen Stuhl ran, denk an die Frauen in Uganda und lass dir von ihnen den Rücken stärken.
Und gerne auch von mir. 💟 Buche dazu einfach einen Termin für dein unverbindliches und kostenloses Orientierungsgespräch. Klicke dazu hier:
Bei euch läuft das anders? Echt partnerschaftlich und auf Augenhöhe? Von Stuhl zu Stuhl sozusagen? Wunderbar! Dann nimm diesen Artikel gerne zum Anlass für eine Runde Dankbarkeit. Vielleicht magst du deinen (Noch-/Ex-)Mann ja auch wissen lassen, wie froh du bist, dass ihr das Ganze – trotz allem – so gut zusammen hinbekommt. 💟