Ich bin schon immer eher offen mit der Tatsache umgegangen, dass im Laufe meiner ersten Ehe mein damaliger Mann seine Homosexualität entdeckte und nicht nur sein Leben eine radikale Veränderung erfuhr. Denn seine Geschichte hat mich brutal aus meiner eigenen gekickt.

Im Rohentwurf für mein Leben gab es nur Zusammenbleiben bis dass der Tod uns scheidet. Und damit war zu keiner Zeit ein frühzeitiger Beziehungstod gemeint. Auch nachdem unsere Kinder von zu Hause ausgezogen sein würden, sollte es für sie immer einen Ort geben, den sie “bei Papa und Mama daheim” nennen konnten. Und in meiner Vorstellung sah ich uns als altes Ehepaar in stillem Einvernehmen nebeneinander auf der Gartenbank sitzen und dankbar unseren Urenkeln beim Spielen zuschauen.

Und trotzdem ich wieder ein wirklich gutes Leben habe, ein Leben, das mich zutiefst dankbar sein lässt, und trotzdem die “akute Phase” meiner schwulen Geschichte bald 20 Jahre her ist, lassen mich meine eigenen Zeilen nicht unberührt. Denn in manchen Momenten spüre ich den Schmerz immer noch. Den Schmerz, dass es nicht gelang, obwohl so viel gelungen ist. Den Schmerz, dass durch unsere Familie ein Riss geht, den wir zwar so gut es ging kitten konnten – und es ging ziemlich gut – aber nicht ohne sichtbare und fühlbare Spuren.

Und ich weiß, so oder so ähnlich kennst du das auch.

 

I Du bist mehr!

Ohne seine Geschichte gäbe es meine nicht. Zumindest nicht diese. Zumindest nicht so. Meine Geschichte lässt sich nicht erzählen ohne seine. Das muss ich akzeptieren. Und doch ist es meine Geschichte – nicht seine. Denn meine Geschichte ist mehr als nur die Art und Weise wie ich mit seiner umgegangen bin.

Und eigentlich hadere ich mit dem Umstand, dass mir kein besserer Begriff für Frauen wie mich einfällt: Ex/Partnerinnen homosexueller  Männer… Warum kann man das nicht anders ausdrücken? (Man müsste etwas Neues kreieren. Vorschläge gerne an mich oder in die Kommentare.)

Denn ich will, wenn ich meine Geschichte erzähle, nicht ständig auf seine bezogen sein. Ich bin und war nie nur die Partnerin eines homosexuellen Mannes. Auch wenn es sich zeitweise so angefühlt hat. Ich bin so, so viel mehr als das. Und DU auch!

 

II Das ALLES Entscheidende…

Die Enttäuschung, die Mutlosigkeit, das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit als Frau, als Partnerin, als Mutter. Selbstvorwürfe, die ganzen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. All die überfordernden Entscheidungen in Verbindung mit der Verantwortung für die Kinder, für das gemeinsame Hab und Gut, inklusive der Angst vorm Alleinsein…

Und eh du´s dich versiehst, hast du über all dem das Entscheidende aus dem Blick verloren.

  • Das EINZIGE, was dich bei Kraft und Gesundheit halten kann…
  • Das EINZIGE, was dir wirklich helfen und Erleichterung verschaffen kann…
  • Das EINZIGE, was wirklich positive und nachhaltige Veränderung bringen kann…
  • Das EINZIGE, was dir – entschuldige bitte, aber es ist so – deinen süßen A. retten kann…

Das Ent-Scheidende, weil es zwischen “Irgendwie muss ich es schaffen!” und “Ich schaffe mir ein Leben, wie es für mich richtig ist!” scheidet.

Nur zwei Buchstaben, aber so was von kraftvoll, dass du damit in der Lage bist, den alles entscheidenden Unterschied zu machen:
DU. Punkt. That´s it. Nicht mehr, aber schon gar nicht weniger.

Das alles Entscheidende bist DU. Punkt. Und dieses DU gehört gestärkt. Weil dein Leben dich braucht.

 

III Gerade dann…

Entwicklung fühlt sich nicht immer gut an. Aber sie passiert gerade dann: Wenn´s unangenehm wird… Wenn du das Gefühl hast, das bereits Errungene rinnt dir einfach so wieder durch die Finger… Wenn du das Gefühl hast, du drehst wieder einmal eine Ehrenrunde… Wenn du das Gefühl hast, du bist wieder mal die Einzige, die das ganze Schlamassel ausbaden darf… Gerade dann kannst du davon ausgehen, dass sich hier grad was in die richtige Richtung bewegt.

Denn: Durch den Schrott, der uns widerfahren ist und widerfährt, schmeißt uns das Leben immer wieder aus der Komfortzone. Und ja, es gibt immer wieder Situationen, da denke ich auch: Hei, jetzt ist es dann aber auch mal wieder gut. Diese “Extra-Behandlung” vom Leben wär echt nicht nötig. Denn ich muss gestehen: Ich liiiiiebe meine Komfortzone. Aber so was von! Ich mag´s einfach viel zu gerne gemütlich. Und wie die meisten Menschen hab ich mir´s dort bestmöglich und möglichst sicher eingerichtet. Klar, heißt ja nicht umsonst KOMFORT-Zone.

Aber bei aller Liebe zu Gemütlichkeit und Sicherheit… Entwicklung passiert nicht dort. Veränderung passiert nicht dort. Persönliches Wachstum passiert nicht dort. Und echte Transformation passiert – genau! – auch nicht dort. No, non, njet, nada. Never!

Wenn ich zurückblicke…

Wodurch hab ich am meisten gelernt, ich selbst zu sein? Was hat mich trainiert, mehr und mehr zu mir zu stehen? Wodurch komme ich immer weniger in Gefahr, mir meine Träume ausreden zu lassen und stattdessen für ein selbstbestimmtes Leben zu gehen? Wodurch hab ich nicht aufgehört zu glauben, dass es wieder jemanden in meinem Leben geben wird, der mich – genauso wie ich bin – will und liebt?

Durch diese beschissenen, harten Zeiten, die ich mir nie, nie, nie selber und schon gar nicht freiwillig ausgesucht hätte. Für die ich heute, HEUTE und schon längst dankbar bin, ja DANKBAR! Weil ich dadurch gelernt habe, dass gerade in schwierigen Zeiten, die es – wenn auch unter anderen Vorzeichen und in anderen Belangen – ja  immer wieder gibt, ein echtes Wachstums-Potenzial liegt. Nämlich das Potenzial, noch viel mehr zu der zu werden, die ich sein muss, damit ich sein kann, wer ich sein will, um die zu sein, die ich wirklich bin. (Ja, lies ruhig nochmal. Der Satz mach tatsächlich Sinn!)

Für mich, für meine Familie, für meine Freunde, für all die Partnerinnen schwuler Männer, mit denen ich als Mentorin arbeite und gearbeitet habe: Die beste und mutigste Version meiner selbst, die ich im jeweiligen Moment gerade sein kann und manchmal auch einfach nur mein total durchschnittliches und gerade deshalb liebenswertes Alltags-Ich.

Lass dich von schwierigen Zeiten herausfordern, die zu werden, die du sein musst, damit du sein kannst, wer du sein willst, um die zu sein, die du wirklich bist. (Dakarai)

Nein, ich wünsche mir deswegen keine extra herausfordernde Zeiten herbei. Und nein, ich rede hier auch nicht der Einstellung “Gelobt sei, was hart macht” das Wort. Wovon ich aber wirklich überzeugt bin: In schwierigen Zeiten liegt die Chance für persönliches Wachstum.

Niemand sagt, dass das einfach ist!

Und DAS macht oft keinen Spaß! DAS ist verdammt unbequem, beängstigend, schmerzhaft und manchmal auch einsam. Aber es lohnt sich. SELBSTVERANTWORTUNG! Zu 100%. Was Radikaleres gibt´s in der heutigen Zeit wahrscheinlich gar nicht.

Und ich schaffe das ganz oft überhaupt nicht und schon gar nicht so, wie ich es gerne schaffen wollen würde. Aber ich versuch´s. Immer wieder auf Neue. Und jedes Mal bringt es mich ein Stück weiter, näher zu mir und näher zu all den Möglichkeiten, die so viel mehr und vielfältiger sind als man in dem Moment glaubt. Es lohnt sich. Echt.

Und nein! Es geht nicht darum, Dinge schön zu reden, die einfach NICHT schön sind. Es geht nicht um positives Denken auf Teufel komm raus. Gar nicht! Es geht darum, dir deine Kraft, deine Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit zurück zu holen, indem du Selbstverantwortung übernimmst. Nicht ein bisschen, sondern total.

Ich kann nichts dafür, dass mein Mann homosexuell “wurde”. Echt nicht. Nicht die Bohne. Und du auch nicht. Echt nicht. Aber ich kann verdammt was dafür, ob ich mich davon den Rest meines Lebens fertig machen lasse oder nicht.

Du darfst das – beides!

Ja, beides! Fertigmachen lassen oder nicht. Ist deine Entscheidung! War meine auch. Und du darfst dir Unterstützung holen. Gibt´s übrigens auch für beides. Kommt drauf an, mit wem man drüber redet. Ist deine Entscheidung! War meine auch. Ich nehme an, auch du willst wieder ein Leben, das sich nach dir anfühlt…

Und ja, auf diesem Weg schmeißt man immer mal wieder die Nerven hin, weil es verflixt nochmal phasenweise echt hart ist. Besonders zu Anfang. Und dann immer mal wieder in der Mitte. Und hie und da auch dann noch, wenn man dachte, jetzt hat man´s endlich gepackt. Und manchmal auch noch aus ganz anderen Gründen. Ein Runde Weinen?!  Schwemmt Cortisol aus dem Körper. Ist gut für die psychische Gesundheit. Und weiter geht´s.

Wir lassen nicht – echt N.I.C.H.T – zu, dass dieses Thema, das Thema unserer Männer, uns das Leben und die Freude zerstört, DAS kommt nicht in die Tüte. Echt N.I.C.H.T.

Traurig sein? Ist okay. Wütend sein? Ist okay. Das alte Leben vermissen? Ist okay. Sehnsüchtig sein? Ist okay. Hab ich noch was vergessen? Ist auch okay.

Aufhören? Is nich.

Aufhören zu glauben, dass die Dinge wieder gut, ja sehr gut werden können, aufhören, weiterzugehen, aufhören, Gott und dir selbst zu vertrauen, aufhören, dir selbst und als Vorbild auch deinen Kindern zu zeigen, dass…

❤︎ DU wichtig genug bist, dich gut um dich selbst zu kümmern,

❤︎ DU wichtig genug bist, klare Grenzen zu ziehen und auf deren Einhaltung zu bestehen,

❤︎ DU wichtig genug bist, dir selbst mit Wertschätzung, Nachsicht und Respekt zu begegnen und dies auch von anderen einzufordern,

Aufhören… also AUFHöRENist KEINE OPTION! Wirklich nicht. Das wär kein Leben. Jedenfalls nicht DEINES. Nicht wirklich. Wirklich nicht.

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