Verstehst du schon, oder überzeugst du noch?

Aus der Reihe: Kurz aber herzlich!

Es gibt Gespräche, da geht einfach nichts mehr. Du sagst etwas, dein
(Ex-)Mann hört aber ganz was anderes. Du fühlst dich missverstanden, er sich angegriffen. Und ehe ihr´s euch verseht, steht ihr wieder da: Zwei Menschen, zwei Wahrheiten, null Verbindung. Kommt dir bekannt vor? Dann lies weiter. In diesem “Kurz aber herzlich” zeige ich dir, wie mit einer oft unterschätzten Haltung – der sogenannten Multiplizität – wieder echter Dialog gelingen kann. 

Wie du vielleicht schon weißt, bin ich eine leidenschaftliche Worte-Sammlerin. Ich sammle Worte aus den unterschiedlichsten Gründen: Weil sie schön klingen, sich für Sprachwitz eignen, mehrdeutig sind – oder weil sie ungeahnte Superkräfte in sich tragen. Wegen letzterem bin ich auch an “Multiplizität” hängen geblieben.

Denn: Multiplizität gibt echt was her. Okay, ich muss zugeben, es klingt reichlich mathematisch und theoretisch. Außerdem widersetzt es sich permanent meinem Versuch, es fehlerfrei in die Tasten zu klopfen. Aber glaub mir, es ist eine tolle Unterstützung, wenn es um schwierige Gespräche in komplizierten Beziehungen geht. Und mal ehrlich, welche Gespräche in komplizierten Beziehungen sind nicht schwierig? Na, eben!☺︎

Multiplizität ist die Fähigkeit, mehrere Realitäten gleichzeitig zu akzeptieren

Das ist die für uns interessante Bedeutung. Bei der anderen geht´s um Quantenmechanik, also eher nö, oder? Gut, aber auch das hier ist nicht grade selbsterklärend…

Dann woll`n wir mal:

Stell dir vor, zwei Menschen sind in einem Raum. Sagen wir mal, der eine bist du und der andere ist z.B. dein homosexueller/ bisexueller/ pansexueller/ was-auch-immer-sexueller (Noch-/ Ex-/ Ehe-/ Was-auch-immer-)Mann. Mit euch beiden befinden sich des Weiteren – quasi zwangsläufig – zwei unterschiedliche Konstellationen von Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen, Sichtweisen, Meinungen, Interpretationen, Bewertungen – und aus all dem resultierend – unterschiedliche Wahrheiten im Raum. Ein ganz schönes Getümmel, was? Oder etwas übersichtlicher: Du, er, deine Realität und seine Realität.

Multiplizität – also die Fähigkeit, mehrere Realitäten gleichzeitig zu akzeptieren – ist entscheidend für funktionierende Beziehungen. Besonders für die, welche ohnehin – aus Gründen – nur noch bedingt funktionieren: Zum Beispiel die zu unseren Ex-, Noch- etc. Männern.

Achtung: Spoiler! Diese Fähigkeit zu kultivieren, lässt uns im Übrigen nicht nur besser mit anderen klarkommen, sondern erleichtert uns auch den Umgang mit uns selbst.

Verstehen statt überzeugen

Oder wie es mal einer meiner Coaches ausgedrückt hat: Willst du Recht haben oder glücklich sein?

Verstehen bedeutet:

BEIDES ist WAHR.

Überzeugen bedeutet:

Nur (M)EINES ist WAHR

Bist du im “Nur (m)eines ist wahr”-Modus, empfindest du vermutlich die Realität deines Mannes als Angriff auf deine Wahrheit. Du wirst versuchen, deinen Standpunkt zu behaupten, was vermutlich deinen Mann in die Defensive drängt, weil er an seiner Erlebensweise festhalten will. Er wird diese vermutlich verteidigen und…  Wird aber natürlich auch genau so oft und gerne andersherum gespielt. Jedenfalls, bis es blockiert oder gar eskaliert, fehlt nicht mehr viel. Vermutlich! ☺︎

Ganz anders im “Beides ist wahr”-Modus (= Mulitplizität!): Du akzeptierst sowohl dein Erleben als auch seines für wahr und wichtig. Nämlich auch dann, wenn es sich von deinem unterscheidet. Grade dann.

Das bedeutet nicht, dass du ihm zustimmen musst oder dich ihm anpasst, denn auch das wäre dann im Grunde nur “EINES ist WAHR, nämlich SEINES. Es geht vielmehr um eine Haltung, die die Bereitschaft ausdrückt, dem anderen sein Erleben zuzugestehen UND (!!!) mir das meinige. Beide Realitäten sind berechtigt. Punkt.

Auf diese Weise finden sich beide Seiten ernstgenommen und gesehen, und das ist eine wichtige Voraussetzung für gelingende Kommunikation. Im Besonderen auch für gelingende Absprachen z.B. was die Kinderbetreuung betrifft, den Umgang mit den Finanzen oder deine Freiräume. Gilt übrigens auch für die Gespräche mit deinen Kinder, wenn du welche hast, mit deinen Arbeitskollegen, Eltern, Freunden und Nachbarn…

Eine Einladung

Mit dieser Haltung sprichst du eine Einladung aus: Vom Ich-gegen-dich-Modus (nur (m)eines ist wahr) zum Ich-und-du-gegen-ein-Problem-Modus oder noch besser: Ich und du FÜR LÖSUNGEN

Und nebenbei bemerkt: Uns Menschen ist das Gefühl, verstanden zu werden meist viel wichtiger als in einer einzelnen Entscheidung “zu gewinnen”.

Also:

Willst du Recht haben oder glücklich sein?

Verstehst du schon, oder überzeugst du noch? It´s up to you! ☺︎

Verständnisvolle Grüße – von mir zu dir.