Weder vor, noch zurück.

Jedenfalls fühlt es sich so an. So wie´s jetzt grad ist, ist es echt sch…. Und das geht schon seit Frühsommer so. Aber wie anders?  Wie besser?  So richtig konkret anders und konkret besser? Keine Ahnung. Ich spür einfach, dass es überhaupt nicht flutscht. Irgendwie ist Sand im Getriebe. Aber nicht nur ein paar Körnchen, nein, schon eher ne halbe Sanddüne. So oder so ähnlich haben sich für mich die letzten Monate angefühlt – jedenfalls beruflich.   Kennst du so was auch?   Was ist passiert? Nichts. Na, komm schon, irgendwas muss doch passiert sein? Nein. Nichts. Jedenfalls nichts, was ich wüsste.  Außer, dass ich keinen Bock mehr habe. Keinen Bock mehr auf dieses ganze „schwule Thema“.

 

Doch! Schon!

Die 1:1 Sessions mit meinen Klientinnen, die machen mir immer noch Freude. Sehr sogar. Gerade in den letzten Monaten durfte ich ganz wundervolle Frauen begleiten, Hebamme und Zeugin echter Transformation sein – wofür ich auch voll dankbar bin. Das ist es also nicht.   Okay. Was ist es dann? Wenn ich es wüsste, säße ich nicht in der Klemme. Wenn ich es wüsste, hätte ich mich schon längst aus diesem blockierten Zustand herauslaviert. Wenn ich es wüsste, würde ich tun, was eine Frau tun muss: Ärmel hoch und weiter geht´s.

Stattdessen hat sich die Queen of „Du bist Gestalterin deines Lebens“ selbst vom Thron geholt. Echt super! Gestalten? Ja schon. Aber wie ? Was, wenn dir grade komplett der Plan, die Vorlage, die Richtung fehlt? Dabei dachte ich, dass ich genau deshalb erlebt hab, was ich erlebt hab, um anderen Frauen mit meiner beruflichen Expertise UND meiner persönlichen Erfahrung zur Seite zu stehen. Dass genau das meine Berufung wäre.

 

Naja, und seien wir ehrlich…

Kaum eine Selbständige kann es sich leisten, all zu lange in einem Netz von Grundsatzdiskussionen mit sich selbst verfangen zu sein. Im Online-Business ist Sichtbarkeit die erste Voraussetzung für ein in allen Belangen erfolgreiches Arbeiten. Und die erreichst du nur durch regelmäßige Blogartikel, Newsletter, Videos und konstante Präsenz auf Social Media.

Super! Und wenn ich mich genau dazu überhaupt nicht in der Lage fühle? Wenn ich genau nichts, aber auch gar nichts in mir finde, worüber ich schreiben mag? Wenn ich das Gefühl habe, als wäre an der Stelle, wo sonst Ideen und Begeisterung wie bunte Seifenblasen aus mir herauspusten, einfach nur grobkörniger Sand? Sand, der jedes Bläschen, und mag es noch so bunt und vielversprechend schillern, noch ehe es sich in die Lüfte erheben kann, einfach zum Platzen bringt. Und daran hat auch ein toller Videodreh im Herbst – wieder einmal – über mich und meine Geschichte für den ORF nichts verändert.

 

Grundsatzfragen

Stattdessen ploppt eine Grundsatzfrage nach der anderen auf. War das damals wirklich die richtige Entscheidung, meine Online-Praxis auf Partnerinnen und Ex-Partnerinnen schwuler und bisexueller Männer auszurichten? Auf so eine enge Nische? War es nicht abzusehen, dass – nachdem ich selbst schon vor Jahren gut versöhnt mit „meiner schwulen Geschichte“ abgeschlossen habe, irgendwann der Moment kommen würde, wo auch hinter die Arbeit zu diesem Thema ein Punkt gehört? Aber wenn nicht das, was dann? Und was ist dann mit meiner Berufung? Und wofür war dann das alles bis hierher gut?

Falls du überhaupt bis hierhin gelesen hast, fragst du dich jetzt vielleicht: Oooookaaayyyy…. Und was hat das jetzt mit mir zu tun?

Ehrlich? Ich hab keine Ahnung. Zwischen nichts und verdammt viel, ist alles möglich. Lass uns mal gemeinsam schauen…

 

Zwischen den Stühlen

Hast du gedacht, jetzt wo du es endlich geschafft hast mit deinem offen oder verdeckt schwulen Partner klar Schiff zu machen und die für dich richtige Entscheidung zu treffen, startest du voll durch, fängst ein neues Leben an? Jetzt wird alles nicht nur gut – NEIN! – womöglich sogar besser? Neue Wohnung, neue Arbeitsstelle, neue Freiheit, vielleicht eine neue Liebe – wenn nicht jetzt, dann irgendwann, im Idealfall möglichst bald! Gerne auch mehrere – nacheinander, nebeneinander… BLUMEN pflücken, nannte das damals der erste Mann, den ich nach meinem Ehemann so richtig toll fand und bei dem ich so richtig viel Potenzial für eine gemeinsame Zukunft sah. Zu Anfangs. Zum Glück ist nichts aus uns geworden. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Sackbahnhof und Urschleim

Und dann sitzt du in deinem neuen Leben und fragst dich: Hab ich die Weichen tatsächlich richtig gestellt? Oder ist das hier wieder nur ein Sackbahnhof, der zwar anders heißt, aber genauso wenig wohin führt.

Wenn du bei deinen Freunden nichts anleierst, passiert nichts, weil die sich lieber wie früher schon, als Paar mit anderen Paaren treffen. Jedenfalls zeigt sich das Ganze als weit mühsamer als du gedacht hast.

Die Versicherungen deiner angeheirateten Familie, dass du immer willkommen sein wirst und dass euer Kontakt natürlich völlig unberührt von „dieser Sache“ bleiben wird, zeigen sich über die Länge der Zeit als Lippenbekenntnis ohne allzu viel Substanz.

Entweder bist du des Online-Datings inzwischen eh schon voll überdrüssig, oder du hast dich noch gar nicht drüber getraut. Zu groß die Angst vor dem Risiko einer Neuauflage deiner alten „schwulen Geschichte“. Vertrauen? Schwierig. Zu schwierig.

Die neue Freiheit entpuppt sich als zäher Urschleim, und irgendwie passt du in dieses neue Leben einfach nicht richtig rein. Nach vorne scheint der Weg irgendwie blockiert. Zurück willst du nicht, kannst du nicht. Und zwischen den Stühlen sitzt es sich verdammt unbequem.            

 

Wenn du den Fluss nicht überqueren kannst, dann folge weiter seinem Lauf.

  Keine Ahnung, wo ich diese Weisheit her habe. Vielleicht ist sie sogar von mir selbst. J Jedenfalls ist da was dran. Finde ich wenigstens.   Wenn deine Sehnsucht auf ein wieder erfülltes und glückliches Leben immer noch und trotz deiner tapfer getroffenen Entscheidungen gefühlt jenseits des Flusses liegt, weit und breit kein Weg, kein Steg, der dich auf die andere Seite führt, dann…

Szenario 1: Du sitzt am Ufer und schaust zu wie es deine Vision von einem erfüllten Leben inkl. einer glücklichen Partnerschaft buchstäblich den Fluss hinunterspült. Und du kommst deprimiert zum Schluss: DAS, wonach du dich sehnst, was du dir wünschst, scheint für dich in diesem Leben schlicht und einfach nicht vorgesehen. Von der Enttäuschung zur Resignation ist es ein kurzer Weg.

Szenario 2: Das untätige Dasitzen und Herumhirnen ist gar nicht deine Sache. Stattdessen versuchst du aus großen Steinen einen Weg durch den Fluss zu bauen. Am besten jetzt sofort und im Hauruck-Verfahren. Der Aktionismus gibt dir das Gefühl, die Situation zumindest halbwegs im Griff zu haben. Außerdem bleibt dir so weniger Zeit zum Nachdenken und vor allem zum Nach-Fühlen… Was du auf der anderen Uferseite willst? Das weißt du eigentlich gar nicht so genau. Ist auch egal. Hauptsache du bist beschäftigt und musst die Leere in dir und deinen Schmerz nicht länger spüren.

 

Hose runter

Ich hab tatsächlich beide Szenarien durch. Wiederholt und in mehreren Belangen meines Lebens: Beziehungen, Beruf, Finanzen, Sexualität, Gesundheit… Szenario 1 hat mich mutlos und Szenario 2 mürbe zurückgelassen. Und im sich abwechselnden Doppelpack sind die beiden überhaupt unschlagbar! Das kannst du dir sicher vorstellen, wenn du´s nicht eh aus eigener Erfahrung kennst.

Und obwohl ich es inzwischen ja echt besser wissen sollte, brauche ich scheinbar immer und immer wieder eine neue Ehrenrunde. Zuletzt eben letzten Sommer als wieder einmal die Themen Beruf und Berufung aufploppten.

Zuerst saß ich frustriert, je länger der Zustand andauerte schon fast verzweifelt am Ufer herum. Ich hab mich total hinterfragt und mir zu allem Überfluss auch noch etliche Portionen Self-Bashing übergebraten. Und weil sich das alles so, sorry, aber es war so, also weil sich das alles so dermaßen scheiße angefühlt hat, hab ich mich in die Recherche neuer Themen gestürzt und nach allem gegriffen, was nur irgendwie interessant und nach einer rettenden Brücke aus diesem grässlichen Unwohl-Gefühl aussah. Shiny Object Syndrom. Das heißt tatsächlich so.

Vielleicht fragst du dich: Und? Wo steht sie jetzt, die Dagmar? Für jetzt mal nur so viel: Ich bin noch immer auf dieser Seite meines Flusses. Ja, tatsächlich. Aber ich sitze nicht mehr da, wo ich im Sommer noch saß. Ich hab auch den vergeblichen Brückenbau vom Herbst hinter mir gelassen. Inzwischen gelingt es mir immer besser, mich Szenario 3 zuzuwenden. Und dazu lade ich auch dich sehr gerne ein.  

 

Unsere Sehnsüchte sind unsere Möglichkeiten.

Auf meiner Website habe ich dieses wundervolle Zitat von Robert Browning stehen. Keine echte Herzenssehnsucht, die in uns gelegt wurde, die nicht auch das Potenzial zu ihrer Erfüllung mit im Gepäck hätte. Oder anders gesagt: Deine Sehnsucht weist dir den Weg zu ihrer Erfüllung. Um den zu erkennen, braucht es vor allem Geduld und die führt uns zum dritten Szenario.

Szenario 3: Du gehst mit dem Fluss deines Lebens mit, setzt deinen Weg auf deiner Seite des Ufers fort, entwickelst dich weiter, machst neue Erfahrungen und vertraust, dass sich nach der nächsten oder übernächsten Flussbiegung die passende Möglichkeit der Überquerung finden wird. Dann, wenn du soweit bist für das, was auf der anderen Seite auf dich wartet.

Der entscheidende Faktor auf deiner Uferseite weiter zu kommen ist Selbstverantwortung.

 

Selbstverantwortung zu übernehmen, bedeutet…

  • dass du dir selbst Umwege, Schwächen und auch Fehler zugestehst ohne in die Schuldfrage einzusteigen.
  • dass du dir bewusst machst, dass du über die Art und Weise wie du über dich und deine Situation denkst, tatsächlich Einfluss auf deine Gefühle hast.
  • dass du daraus folgend aktiv Gedankenhygiene und Gefühlsmanagement betreibst.
  • dass du dich klar und eindeutig dafür entscheidest, nicht länger an deiner Verletzung festzuhalten.
  • dass du Verantwortung dafür übernimmst, dass der alte Schmerz heilen darf.
  • dass du tust, was dafür nötig ist, indem du dir jetzt selbst das gibst, was du früher so dringend gebraucht hättest. (Stichwort „inneres Kind“)

 

 Und was wartet auf der anderen Seite des Flusses auf dich?

Frag deine Sehnsucht! ♡

Wenn du auf deiner Reise noch wo ganz anders stehst, dann schau mal hier. Das ist der erste Artikel zum Thema “6 Erste Hilfe-Maßnahmen, wenn dein Mann auf Männer steht.”